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Was Qualzucht für Haustiere bedeutet

Was Qualzucht für Haustiere bedeutet

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Einige Haustierrassen gelten als besonders schön und sind im Trend. Doch die äußerlichen Merkmale, die sie so beliebt machen, bringen mitunter Leid für die Tiere mit sich. Was eine Qualzucht ist, wie du sie erkennst und was du dagegen tun kannst, erfährst du hier.

Was ist eine Qualzucht?

Mit Qualzucht sind Zuchten gemeint, deren Merkmale bei Tieren zu Leiden, Schmerzen oder Schäden führen. Der Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes geht näher darauf ein, weshalb er auch als „Qualzuchtparagraf“ bezeichnet wird.

Manche Tierrassen, die in Werbung, Social Media oder Fernsehen zu sehen sind, gelten als besonders schön oder süß. Viele der gewünschten Rassemerkmale sind angezüchtet und erblich, um ein bestimmtes Aussehen der Tiere zu erreichen. Manchmal führen diese äußerlichen Zuchtziele unmittelbar zu Schäden, Leiden und Schmerzen der Tiere, zum Beispiel eine eingeschränkte Atmung infolge einer bestimmten Nasenform. In anderen Fällen sind Schäden nicht sofort offensichtlich, etwa, wenn Erbkrankheiten oder andere innere Erkrankungen unwissentlich mitgezüchtet wurden. Die gewünschte Eigenschaft des Tieres tritt immer deutlicher zum Vorschein, wenn man Elterntiere mit eben diesen prominenten Eigenschaften verpaart. Aus diesem Grund ist der Inzuchtgrad bei manchen Tierrassen inzwischen hoch.

Qualzuchten und entsprechende Rassen gibt es nicht nur bei Hunden und Katzen, sondern auch bei Kaninchen, Meerschweinchen, Pferden, Fischen, Vögeln und Reptilien.

Manchmal ist es nicht einfach zu erkennen, was „Schaden“ und „Leiden“ für das Tier bedeutet oder welche gesundheitlichen Auswirkungen manche süßen Eigenschaften haben.

Was ist ein Qualzuchtmerkmal?

Es gibt verschiedene äußerliche Merkmale bei Tierrassen, die zu Leiden, Schmerzen oder Schäden führen. Diese Eigenschaften nennt man “Qualzuchtmerkmale” oder “Defektmerkmal”. Unterscheiden lassen sich Merkmale, die direkt erwünscht sind, also gezüchtet, um ein charakteristisches Aussehen zu erzielen und Erbkrankheiten, die unabhängig von den gewünschten Eigenschaften bei einigen Rassen vermehrt auftreten.

Qualzucht bei Hunden

Bei manchen Hunderassen treten typische Qualzuchtmerkmale auf, zum Beispiel: 

  • Kurze Schnauzen und Köpfe (Brachyzephalie): Betroffen sind beispielsweise die Rassen Mops, Französische Bulldogge, Englische Bulldogge und Boxer. Der gesamte knöcherne Schädel ist verkürzt, die Nase platt und die Nasenlöcher verkleinert. Auch das Gaumensegel passt nicht in den Rachen der Tiere. Folgen sind Röcheln und Schnarchen, was Anzeichen für dauerhafte Atemnot sind. Durch diese körperlichen Eigenschaften ist es Hunden nicht möglich, ihre Temperatur über die Atmung zu regulieren, sie können daher im Sommer vermehrt zum Hitzekollaps neigen. Augen, Zähne und Zunge haben im kurzen, runden Schädel weniger Platz, wodurch Zahnfehlstellungen, eine trockene Zunge und Augenentzündungen zu Leiden führen können. Diese Rassen sind zudem vermehrt von verwachsenen Wirbeln (Keilwirbeln) und Bandscheibenvorfällen betroffen. Beim Cavalier King Charles Spaniel ist manchmal der Schädel zu klein für das Gehirn, was zu schmerzhaften neurologischen Problemen führt.
  • Extrem große Rassen oder Körperteile (Gigantismus, Riesenwuchs): Deutsche Doggen sind durch ihre Zucht auf eine große Körpergröße anfälliger für Knochenkrebs, Herzprobleme und Magendrehungen.
  • Extrem kleine Rassen oder Körperteile (Verzwergung): Miniaturrassen wie Chihuahuas haben Veränderungen in ihrem Skelett, wodurch sie häufiger unter Knochenbrüchen, Kniescheibenverlagerungen und Kieferfehlstellungen mit Zahnproblemen leiden. Manchmal verbleibt bei Welpen die Öffnung der Schädelknochen (Fontanelle).
  • Haarlosigkeit: Bei Hunden ohne Deckhaar ist die Temperaturregulation eingeschränkt, und im Sommer steigt das Risiko für Sonnenbrand. Nicht selten fehlen auch die Tast- und Schnurrhaare (Vibrissen), wodurch die Kommunikation mit Artgenossen eingeschränkt ist.
  • Ausgerollte Augenlider (Ektropium): Die Augenlider sind ausgerollt, sodass die rote Schleimhaut nach außen sichtbar ist. Eine Folge sind vermehrt tränende Augen und Entzündungen rund um das Auge. Betroffene Rassen sind zum Beispiel Spaniels und Neufundländer.
  • Extrem lange Ohren: Die langen Ohren verschließen dauerhaft den Gehörgang. In der dunklen, feuchten und warmen Umgebung vermehren sich Bakterien und Hefen besonders leicht, weshalb es häufiger zu Ohrenentzündungen kommt. Anfällig sind z. B. Bloodhounds oder Basset Hounds.
  • Extrem viele Hautfalten: Hierbei ist die Haut verdickt und legt sich über den gesamten Körper verteilt in viele Falten. Zwischen den Hautfalten herrscht ein Milieu, in dem Bakterien und Pilze besonders gut wachsen können. Betroffene Rassen wie der Shar Pei leiden unter wiederkehrenden Hautentzündungen.
  • Gewinkelte Gliedmaßen: In einigen alten Züchtungen der Deutschen Schäferhunde sind nach hinten abgewinkelte Hinterbeine gewünscht. Dadurch ist die Rückenlinie abfallend, und die Oberschenkelknochen passen nicht mehr in die Gelenkschale der Hüfte (Hüftgelenkdysplasie). Diese Fehlstellung bereitet den Tieren Schmerzen und Bewegungsprobleme. Einige Dackelrassen haben seitlich abgewinkelte Vorderbeine, was die Gelenke vermehrt belastet.
  • Extrem kurze Schwänze oder keine Rute: Die Rute wird kurzgehalten oder fehlt gänzlich. Da Hunde miteinander über den Schwanz kommunizieren, sind sie dadurch eingeschränkt. Fehlt der Schwanz komplett, bildet sich eine Hautfalte zwischen Schwanz und Anus, die sich entzünden kann. Kotabsatzbeschwerden bis hin zu Rückenmarksveränderungen sind zudem möglich. Kurze oder fehlende Ruten kommen z. B. bei Möpsen, Französischen und Englischen Bulldoggen vor.
  • Spezielle Fellfärbungen: Darunter fallen Extremscheckungen (Dogo Argentino, Dalmatiner), Weißköpfigkeit, Albinismus, Merle-Färbung und die Dilute-Färbung. Bei den meisten dieser Färbungen liegt eine bestimmte Genveränderung vor, die zu dieser speziellen Fellfarbe führt. An dieses Gen gekoppelt sind jedoch auch Erkrankungen. Besonders bei Australian Shepherds, Collies und Corgis beliebt ist die Merle-Färbung. Diese führt bei bestimmten Verpaarungen zu Fehlbildungen am Auge und am Innenohr. Manche Welpen kommen dann blind oder taub auf die Welt. Bei Deutschen Doggen ist ein graublaues Haarkleid (Colour Dilution Alopecia) beliebt, das jedoch mit Haarausfall und daraus resultierenden Hauterkrankungen einhergeht.

Qualzucht bei Katzen

Bei Qualzuchtrassen der Katzen treten ähnliche gesundheitliche Probleme auf wie bei Hunden.

  • Kurze Köpfe (Brachyzephalie): Vor allem Perserkatzen, aber auch British Shorthair haben einen verkürzten Schädel, was Atemnot hervorrufen kann. Der kürzere Oberkiefer führt zu Zahnfehlstellungen und Erkrankungen der Augen.
  • Haarlosigkeit: Nacktkatzen (Sphynxkatzen) haben keine Körperbehaarung und keine Tasthaare. Neben einer schlechten Temperaturregulation ist zusätzlich ihre Orientierung stark eingeschränkt.
  • Kurze oder keine Schwänze: Manx-Katzen haben keinen Schwanz. Ihr Gleichgewichtssinn und die Kommunikation mit anderen Katzen sind dadurch eingeschränkt. Nervenprobleme und Kotabsatzbeschwerden durch Schädigung des Rückenmarks sind möglich.
  • Knochen- und Gelenkprobleme: Scottish-Fold-Katzen sind charakterisiert durch Faltohren. Munchkin-Katzen haben sehr kurze Beine und einen langen Körper. Dieses Aussehen führt zu starken Bewegungsstörungen sowie schmerzhaften Gelenk- und Knochenveränderungen.
  • Innere Erkrankungen: Einige Rassen haben aufgrund ihrer Züchtung ein erhöhtes Risiko für bestimmte innere Erkrankungen. Perserkatzen etwa haben vermehrt Nierenerkrankungen (Polycystic Kidney Disease).

Wie erkennst du eine Qualzucht?

Mitunter sind Qualzuchtmerkmale für Laien nicht auf den ersten Blick zu erkennen.  Eine röchelnde Atmung, Falten auf dem Nasenrücken, hervorstehende Augen oder Auffälligkeiten in der Bewegung, können auf rassebedingte Probleme hinweisen. Wenn du dich für eine bestimmte Rasse interessierst, erkundige dich am besten zuvor über mögliche Gesundheitsprobleme. Züchter:innen können dir Auskunft zur jeweiligen Rasse und dem Gesundheitszustand der Elterntiere geben. Du kannst auch deinen Tierarzt oder deine Tierärztin zurate ziehen.

Was kannst du gegen Qualzucht tun?

Aussehen ist nicht alles! Wenn du dir ein Haustier wünschst, sind folgende Fragen im ersten Schritt wichtiger: Passen die Bedürfnisse des Tieres zu meinem Leben und werde ich ihnen gerecht? Passt das Tier von seinen rassebedingten Eigenschaften zu mir? Hast du wenig Möglichkeiten für lange, ausgiebige Spaziergänge, wird ein Hund, der viel Auslauf braucht, genauso unglücklich werden wie du selbst.

Wenn du dir ein Haustier einer bestimmten Rasse anschaffen möchtest, informiere dich zuvor gründlich: Manche haben im allgemeinen weniger rassebedingte Gesundheitsprobleme als andere. Bei Tieren mit bestimmten, besonders ausgeprägten Rassemerkmalen, gilt es, zu hinterfragen, ob diese Schmerzen hervorrufen können oder, ob das Tier dadurch öfter erkrankt. Dann ist gegebenenfalls mit hohen Kosten für tierärztliche Behandlungen zu rechnen.

Achte auf eine seriöse Zucht, wenn du ein Tier von einer Züchterin oder einem Züchter kaufen möchtest. Kaufe keine Tiere, die extreme Körpermerkmale aufweisen. Seriöse Züchter:innen geben dir die Möglichkeit, die Zuchtbedingungen anzuschauen, sie züchten wenige Tiere im Jahr, und die Tiere werden in hygienisch einwandfreien, liebevollen Bedingungen gehalten – am besten mit Familienanschluss. Grundsätzlich ist von Internetkäufen oder Tierkäufen an dubiosen Orten abzuraten. Erkundige dich auch in Tierheimen nach Tieren, die ein neues Zuhause suchen!